Begegnungen, Lesung im Bürgerhaus

Mettenhofer Kulturtage – Begegnungen, 29.10 2023 Mit ihrer diesjenigen Literaturcafe-Lesung lud Frau Christel Mirus-Bröer wieder einige schleswig-holsteinische Autorinnen und einen Autor in das Bürgerhaus Mettenhof in der Vaasastraße 43 a ein. Leider mußten die Autorinnen Frau Tonja Teutschenbein und Frau Gudrun Thomas-Feuker krankheitsbedingt absagen. Frau Mirus-Bröer konnte kurzfristig zwei andere bekannte und renommierte Künstlerinnen für diesen Nachmittag gewinnen, die auch Freunde und Mitglieder des Literaturkreises NordBuch e.V. sind. Für die musikalische Unterhaltung sorgte an diesem Nachmittag die Künstlerin Elisabeth Melzer-Geissler mit ihrem elektronischen Klavier. Nach einem kurzen „Intro“ betrat der schon aus dem Vorjahr bekannte Joachim Frank die Lesebühne. Der schon mit etlichen Preisen dekorierte Schriftsteller stellte aus seinem Buch „Momente wie diese“ zwei seiner Geschichten vor. In „Ich guck so gerne Cabriolets“ geht es um die Ansichten eines Herrn, der sich mit einem ungewöhnlichen Hobby beschäftigt. Verträumt und versonnen kann er vor seiner Vitrine sitzen, wo er seine Gedanken schweifen läßt, die ihn auf unsere Schleswig-Holsteinische Sonneninsel Sylt versetzen. Dort träumt er von vergangenen und anscheinend besseren Zeiten. Er träumt von ausschweifenden Gelagen und schönen Frauen, denen er in Straßencafes in seinem offenen Cabriolet begegnet und zuwinkt. Und von „Dieter“. Blond und von stattlicher Natur wandelt er auf dem Boulevard von Sylt in selbstsicherer und selbstgefälliger Pose umher. Jeder kennt ihn, jeder ist ihm schon einmal begegnet oder in seinem Dunstschleier gewandelt oder hatte sich zumindest in Gedanken in seine Welt versetzt. Vielleicht steckt in jedem von uns ein kleiner „Dieter“. Doch solange es noch ein Hobby bleibt, ist die Welt noch in Ordnung. Man kann auch seine selbst zusammen gebastelten und geklebten Automobile und seine Gedanken danach wieder in die Vitrinen stellen. Wie oft hat man Künstlern und Schriftstellern in ihrem Leben solche Fragen gestellt, die sie nur ungern oder nur mit Widerwillen beantworten können oder wollen. In der Geschichte „Preisverleihung“ geht es um einen solchen Schriftsteller, der kurz vor einer solchen Auszeichnung steht und am Ende der amtlichen Zeremonie mit solchen Fragen konfrontiert wird. Doch die alles entscheidende Frage am Schluß der Veranstaltung „Warum schreiben Sie?“, deren Antwort alle Anwesenden im Saale erstarren lässt, ist so einfach wie plausibel. Doch sie trifft die Zuhörer bis ins Mark. Mit Elisabeth Melzer-Geissler betritt nun eine Schriftstellerin die Bühne, die sich bei ihren Texten selbst musikalisch begleitet. 1950 in Sachsen geboren, verbrachte sie dort ihre Kindheit und Jugend bis sie in Weimar ein Musikstudium absolvierte und anschließend in Leipzig ein Theologiestudium begann. 1977 gelang ihr mit ihrer jungen Familie die Ausreise aus der damaligen DDR. Mit ihren Studien in Reutlingen und Stuttgart erwarb sie das Examen in Musik- und Religionspädagogik. Sie beginnt mit dem Gedicht „Poetenlied“ aus dem Gedichtband „Spann dein Vertrauen …“ mit der musikalischen Untermalung von Tschaikowskis Klavierstück „Altes französisches Lied“. Mit dem Gedicht „Talsperre“ aus dem gleichen Band lässt sie uns des nachts gedanklich und poetisch von Ufer zu Ufer rudern. Danach liest sie aus ihrem Buch „Schweigen ist Silber“ die Geschichte „Der russische Küster“, die von einer Klassenfahrt nach Weimar handelt, in der die Erzählerin ein Gotteshaus besichtigt, bei der ein alter russischer Küster sie als Letzte ihrer Gruppe daran hindert, die Kirche zu verlassen und sie veranlasst ihm zu folgen. Etwas unheimlich zumute aber folgsam geht sie ihm hinterher. Das Versprechen, das er ihr am Eingang gegeben hatte,ihr etwas Besonderes zu zeigen, erfüllte sich in Form eines besonderen Weihrauchgefäßes und einem Brot das aus zwei verschiedenen Hälften bestand. In dem Moment wurde ihr bewusst, dass dies eine Wendung in ihrem Leben bedeutete. Diese Erzählung handelt in ihrem weiteren Verlauf von der Überwindung des eigenen Egoismus. Mit einer Geschichte aus Krakau aus „Schweigen ist Silber“ entführt Elisabeth Melze- Geissler ihre Leser in eine Welt der Fantasie, die durch einen Torbogen in Krakau ihren Anfang nimmt. Man begibt sich durch Arkaden auf altem Kopfsteinpflaster in einen uralten Hof in dem alte Gemäuer stehen, von denen ein seltsamer Geruch ausgeht. Als sich in einem der Gebäude eine morsche Tür öffnet und ein altes buckliges Männlein erscheint, das einem den Weg ins dunkle Innere zeigt, begibt man sich auf eine Reise in die Vergangenheit. Auch hier ist ein Geruch zu vernehmen, der auf gewisse Tätigkeiten zurückführt. Man befindet sich in einer alten Gerberei mit all ihren Gerätschaften und ihren Arbeitern. Geschäftiges Treiben rundherum. Ein Bild des Papstes taucht an einer Wand auf. Es riecht nach Holz und Leder. Hier werden in Leder gebundene Bücher hergestellt und Zerlesene restauriert. Man entdeckt ein in Gold gerahmtes Marienbild. Eindrücke über Eindrücke. Beim Verlassen des Ortes bekommt der Besucher noch ein Geschenk mit. Doch durch den Torbogen wieder ausgetreten, stellt sich dieses Geschenk als ein verschrumpelter Weihnachtsapfel heraus.          Brigitte Lederich liest aus ihrem Buch „Wellenbewegung durchs Leben“ die Anekdote „Das goldene Straßenmagazin“ und „Mon Cherie“ Die Geschichte „Das goldene Straßenmagazin“ spielt sich in einer Fußgängerzone in einem bekannten und beliebten Kurort an der Ostseeküste ab. Marktstände stehen an dem heutigen Markttag dicht an dicht und die Verkäufer bieten lautstark ihre Waren an. Die Fußgängerzone ist an diesem Tage stark frequentiert. Ein Mann steht ein bischen unauffällig im Abseits vor einer Drogeriefiliale und bietet dort das Straßenmagazin „Auswärts“ zum Verkauf an. Eine auffällig gut gekleidete Dame spricht ihn mit den Worten an „Das will doch keiner!“. Es entwickelt sich ein kurzer Disput über den Inhalt des Magazins. Während die Dame, eine augenscheinliche Endsechzigerin, das „Güldene Blatt“ propagiert , platzt unserem Mann dann doch der Kragen und er erwähnt dabei die Regenbogenpresse und den Bezug zur realen Welt vieler Leser. Mit dem Rest seines Stolzes versucht er der Dame die harte Wirklichkeit näher zu bringen, erzählt ihr seinen Lebensweg und die daraus folgenden Konsequenzen.Die Dame hört ihm über längere Zeit aufmerksam und gespannt zu. Aufmerksamkeit und die Zeit des Zuhörens gaben dieser Szenerie ein überraschendes Ende. Es war vielleicht ein Wink des Schicksals. Nahverkehrszüge sind manchmal ein hervorragendes Gebiet für Milieu-Studien, gerade in der heutigen Zeit, wie man in der nachfolgenden Geschichte von Brigitte Lederich „Mon Cherie“ erleben konnte. Die schokoladenummantelte Kirsche mit Hochprozentigen konserviert, ist in ihrer Bekanntheit immer noch so beliebt wie vor Jahrzehnten und hat immer noch ihre Anhänger. Doch die Konkurrenz schläft nicht und naht in Form des Eierlikörs. Wie man in einem Großwagenabteil beide Parteien begeistern oder niedermachen kann, erfährt man aufeiner Fahrt von Hamburg nach Kiel. Bis der Schaffner wieder ruft: „Der nächste Halt“. Dann werden erst mal die roten Karten verteilt, bis es wieder munter weitergeht. Renate Labusga Die ursprünglich aus Marburg stammende Renate Labusga lebt heute in Kiel und in der Zeit von 1974 bis 2014 genoß sie ihr Leben auf der Insel Fehmarn. Sie liest aus „Meeresleuchten und frische Brise“ die Geschichte von den „Schmetterlingen im Bauch“. Es geht um Bea. Geschieden, Pensionerin, 65, frisch verliebt und allein lebend. Die Sehnsucht nach Kontakten wird immer größer, zumal ihre beste Freundin Julia verheiratet ist und als Oma wenig Zeit hat. Bea lernt Jens in einem Cafe bei einem Kaffeeunfall kennen. Dort nahm alles seinen Anfang. Frei und selbständig war sie, konnte tun und lassen was sie wollte. Doch nun trat dieser Jens in ihr Leben. Mit Schmetterlingen im Bauch und viel Wirrwarr im Kopf nahmen die Dinge nun ihren Lauf. Nach acht Wochen schenkte er ihr das erste größere Geschenk – ein neues Handy – mit, wie es sich gehört, den neuesten App’s. Ihres war aber auch schon aus der Steinzeit. Es folgten Konzertkarten und Ausstellungsbesuche. Mittlerweile verbrachten sie viel Zeit miteinander. Für ihre Freundin reichte es bald nur für einen Cafeteria-Besuch, wo Jens kurze Zeit später an ihrem Tisch stand. Auf die Frage hin, wie er sie so schnell gefunden hätte, wies er sie auf ihre neuesten App’s hin, die er ihr auf ihrem Handy installiert hatte. Bea mußte heftig schlucken. Es sei nur zur ihrer Sicherheit, falls mal was passiert. Schöne neue Welt. Aber er hatte auch eine Überraschung für sie parat: Eine Einladung auf die Insel Sylt übers Wochenende. Zu Hause angekommen geriet Bea ins Grübeln. Überwachung per Handy? An die Nordsee? Wurde sie überhaupt noch gefragt? Sie kam zu dem Schluß, daß sie die Reißleine ziehen mußte und zwar schon bald. Denn es kam noch schlimmer.  Sibylle Hallberg: Die Künstlerin wurde 1953 in Nürnberg geboren und ist heute wohnhaft in Pinneberg. Sie ist Autorin von Gedichten, Erzählungen, Kurzgeschichten und Essays. Sie stellt sich heute als letzte in der Runde mit einer Satire vor. Fabergé ist ein Name der gleich mit Eiern verbunden wird. Doch es steckt weit mehr dahinter. Mit Faberge-Eiern verbindet man heutzutage Schmuckgegenstände aus der Zeit zwischen 1885 und 1917, die in Form von Ostereiern angefertigt wurden. In der Werkstatt von Peter Carl Fabergé in Sankt Petersburg wurden diese zu Ostern, dem wichtigsten Fest der russisch-orthodoxen Kirche, angefertigt. Je nach Wohlstand der jeweiligen Familien wurden anstelle von gewöhnlichen Hühnereiern symbolische Eier verschenkt. Die konnten aus Holz oder aus kostbaren Materialien wie Porzellan, Glas oder Metall angefertigt werden. In der Folgezeit wurde die Begeisterung so groß, daß selbst der Zar Alexander III. bei dem Hofschmied für seine Gattin Maria Fjodorowna diese Stücke anfertigen ließ. Diese Tradition setzte sich im Laufe der Zeit über Jahre fort. Dabei wechselten die Zaren. Doch der Brauch überlebte auch deren Lebensjahre. In ganz Europa verbreitete sich die Kunde von diesen kostbaren und kostspieligen Wunderwerken, so das auch Kaiser und Könige darauf aufmerksam wurden. Doch eines Tages begab es sich, daß ein Sohn geboren wurde, dem ein ganz besonderes Ei in seinem Leben geschenkt werden würde. Er wuchs heran und hörte in Geschichten, wie die Reiche seiner Vor-Vorväter aufgebaut wurden und wieder zerbrachen. Der Junge wurde ein Mann, aus dem Mann wurde ein Herr. Dieser Herr W.P. aus M. in R. schwor sich eines Tages, wenn er so stark wie ein Zar werden würde, könnte er ein neues Reich errichten, das seiner Person würdig sein würde. Gesagt, getan. Mit Täuschung und List überwand er alle seine Widersacher. Selbst vor den Gotteshäusern machte er keinen Halt, denn mit Bestechungen und kostbaren Geschenken kannte er sich mittlerweile sehr gut aus. Er wollte Alles. Er wollte zur gleichen Zeit seine Hochzeit und seine Krönung feiern. Nur wußte er noch nicht ob im Kreml oder in Dresden. Da klingelte ein Handy. Eine Stimme meldete sich: Ob Patriarch Kyrill schon anwesend sei? Er wartete auf sein Geschenk, das ihm von allerhöchster Stelle gereicht werden sollte. Sein persönlichstes aller Fabergé-Eier. Er öffnete es. Darin war ein feuerroter Rubin von einer Größe die er noch nie gesehen hatte. In seiner Verblendung und Verwirrtheit drückte er darauf und der GAU aus der Tiefe der Hölle holte ihn zu sich ins Reich der Verdammnis. Hätte man ihm doch nur ein Ü-Ei geschenkt. Die Literaturcafe – Lesung wurde musikalisch begleitet von Frau Elisabeth Melzer-Geissler, die mit Stücken von Igor Strawinski und Tschaikowski die Lesepausen mit ihren Intermezzos überbrückte und damit das Publikum erfreute. Wilfried Likuski (Text + Fotos), redaktion@mettenhof wlikuski@web.d