2. Bericht zum 10. Literaturfrühling

Mettenhofer Literaturfrühling Freitag, den 15.03.2024 (fotos bei www.mettenhof.de)
Unter dem Titel „Alles Liebe?“ stellte Christel Mirus-Bröer das neue Buch aus der mittlerweile sehr bekannten Reihe „Fundstücke“ vor. Unterstützt von mehreren Autorinnen und Autoren aus Hamburg und Schleswig-Holstein stellt der Verein Nordbuch e.V. unter ihrer Leitung und im Rahmen des 10. Mettenhofer Literaturfrühlings den Zuhörern einige der darin erschienen Geschichten und Gedichte in einer lockeren und gemütlichen Runde vor.
Christel Mirus-Bröer Alles Liebe? Die Lesung wurde vom Kulturamt der Stadt Kiel gefördert.


Mit dem Duo „Die Amarettos“, die diesen literarischen Nachmittag musikalisch einleiteten und diesen auch in den Pausen begleiteten, wurden die Besucher und Besucherinnen auch akustisch verwöhnt. Mit ihrem Repertoire spannten Brigitta an der Mundharmonika und Boris am Schifferklavier, einen weiten Bogen von der volkstümlichen Musik bis hin zu Shanties und Seemannsliedern, die auch zum Mitsingen und Mitsummen einluden. Boris ein Amaretto am Schifferklavier Brigitta ein Amaretto an der Mundharmonika
Doch nun zur ersten Autorin.

Beate Bartoschewski las aus ihren „Tagebuchnotizen“ vom 06.03.2020
Ein Tiefausläufer löst den anderen ab. Kopf und Augen mögen es, wenn’s nicht blendet. Schatten ist mein Ding, aber muß es ständig dermaßen nass sein und windig zu gehen? Trotz alledem genoß ich meine kleinen Ausflüge in die Umgebung. Außerdem kann ich mir über Folgendes sicher sein: Die Regenkleidung hält zuverlässig dicht.
Nach diesem Absatz kommt Beate Bartoschewki auch sofort zur Sache. Im Folgenden geht es um den bekannten Heidedichter Hermann Löns. Die Autorin machte sich an diesem Tage auf, um in der Stadt Walsrode, auch bekannt unter dem Namen Hermann-Löns-Stadt, das Heimatmuseum zu besuchen. Dort entspann sich ein Gespräch mit einem Passanten an einer Bronzestatue, die den Dichter in voller Größe repräsentierte. Doch die Ansprache dieses Mannes, der sich im weiteren Verlauf des Tages als Homosexueller outete und den Namen Georg trug, entpuppte sich nicht gerade erfreulich. Mit „Oberarschloch“ und anderen schwerwiegenden Behauptungen seinerseits, erfuhr Beate etwas über die unrühmliche Vergangenheit von Löns. Sie hätte sich vorher besser informieren sollen. Das riet ihr auch Georg. „Wofür gibt es das Internet und Wikipedia“. Aber durch Georg erfuhr sie mehr über diesen Rassisten, Alkoholiker und Verbrecher und seinem Werdegang. Dabei entdeckte sie auch eine Eigentümlichkeit der deutschen Sprache. Mit dem Ausdruck „Gummistiefelfußspitzen“ erfuhr sie die Erweiterungsfähigkeit und Vielfältigkeit von Hauptwörtern, die man in keiner anderen Sprache finden kann oder übersetzen könnte. Deshalb heißt es wahrscheinlich auch: „Deutsche Sprache, schwere Sprache“. Vertieft und auch schon vom eigentlichen Thema abgekommen wurde dieses Gespräch in eine andere Richtung gelenkt und entspannte sich hörbar. Bei einem Kännchen Jasmintee in einem Asia-Imbiss wurde Beate immer redseliger und erzählte Georg fast ihre ganze Lebensgeschichte. Dabei wurde ihr auch unterbewusst klar, das Georg ein aufmerksamer und eigentlich ein sympathischer Zuhörer war, der ein mitfühlendes Interesse zeigen konnte. Letztendlich verabschiedeten sie sich bis auf Weiteres. Philosophisches gab es noch zum Schluß: Das Sinnieren über die Ausdrücke „Blickwinkel“ und „Blickfeld“. Sie möchte in Zukunft ihr Blickfeld erweitern und im Auge behalten. Beate schaltete am Abend in der Jugendherberge den Fernseher an. Bei den sonntäglichen Nachrichten in der Tagesschau war sie wieder in der Realität angekommen.

Ursula Schark
Mit der nächsten Autorin kam eine waschechte Insterburgerin auf die Lesebühne. Die aus Ostpreußen stammende Ursula Schark lebt seit 1958 in Kiel und arbeitete lange Jahre als leitende Krankengymnastin in einer Universitätsklinik. Mit Poesie beschreibt sie die Natur in ihren Gedichten, die sie in den Anthologien „Fundstücke“ bei „Nordbuch e.V.“ veröffentlicht.
Mit „Presentation“, „Kann nicht fliegen“, „Sturm und der Baum“, „Drei Vögel und der Tisch“, „Morgenfrühe“, „Obdachlos“, „Kindergarten“ und „Die Tafel“ gibt sie ihre Eindrücke wieder, die sie, wie im Verborgenen, aufgenommen hat.
Sturm und der Baum
Tanz der Baumwipfel / wiegend im Wind / von Seite zu Seite / nickend mit den Zweigen /
Spaß macht / Je stärker der Sturm / Orchesterrauschen / die Melodie / Geklimper der kleinen Blätter / auf Tasten / Mozart Chopin / erklingt / wohltuendes Grün / vor dunstig grauer /
Wolkenfahrt
Mit Wolf-Ulrich Cropp kommt an diesem Nachmittag der einzige männliche Autor zu Wort, der von der „Liebe in Zeiten von Corona“ berichtet und ein waschechter „Hamburger Jung“ ist. Seit 1980 schreibt er Erzählungen, Kurzgeschichten, Romane, Biografien und Reiseliteratur.
Deshalb verwundert es einen nicht, dass seine Geschichte am Hamburger Jungfernstieg beginnt, wo es einen Herrn Paul erwischt hat. Die Rede ist von der „Liebe auf den ersten Blick“. Paul Krüger, ein junger Anwalt, lernt Claudia kennen, eine Studierende in Psychologie, die im letzten Semester steht. Sie war dem eloquenten Herrn nicht gerade abgeneigt gegenüber und so gingen sie zu einer Bank an der Außenalster um sich zu unterhalten und um sich besser kennenzulernen. Aber NUR mit aufgesetzter Maske. Schnell waren sich die Beiden in mehreren Diskussionen einig, dass sie auf der gleichen Wellenlänge schwammen. Sie erkannten eine harmonische Gemeinsamkeit im Geiste. Mittlerweile schwang etwas Vertrautes in ihren Gesprächen mit. Paul fühlte, dass der Zufall sie zusammengeführt hatte, und er war sich fast sicher das Claudia ähnliches empfand. So trafen sie sich fast jeden Tag auf derselben Bank die man schon „Liebesbank“ getauft hatte. Paul merkte, dass er schon unsterblich verliebt war. Insgeheim wünschte er sich, dass auch Amors Pfeil das Herz von Claudia berührt hatte. Vielleicht nur gestreift, aber immerhin berührt. Stets erschien sie in einem grauen Mantel, dem Hut und der obligatorischen weißen Maske, die Mund und Nase schützten. Eines Tages war es dann soweit, daß Paul sie fragte, ob er sie einladen dürfte in seiner exclusiven Dreizimmerwohnung zu einem Gläschen Wein und zu einem kleinen Imbiss. Sie willigte ein.
Als es endlich abends klingelte öffnete Paul in voller Erwartung die Tür und sie trat in seine Wohnung ein. Doch etwas an ihr war anders. Die äußere Wahrnehmung verriet im ersten Moment noch gar nichts. Doch als sich Claudia weiter in den Raum bewegte, hörte er das verräterische Klackern unter ihren Füßen. Da wo vorher Sportschuhe ihre Spuren hinterließen, hingen nun die steilsten High-Heels dran, die er jemals gesehen hatte. Paul war schockiert. Claudia war für ihn in dem Moment außerdem eine fremde Person, da sie ihm einen Begrüßungskuss verweigerte. Er sah sie in einer gänzlich anderen Rolle. Doch was dann kam, war noch bestürzender. Es kam zudem aus ihrem Mund. „Nix da. Küssen kostet extra!“ Sie schob ihn vor sich her. „Wo ist dein Schlafzimmer? Du hast mich bestellt. Also, ich bin nicht umsonst hier“. Schon standen sie vor dem Bett. „Erstmal her mit den Scheinen, Vorkasse wenn ich bitten darf“
Paul ließ sich auf das Spielchen ein und legte ein paar Scheine auf den Nachttisch. Es dauerte nicht lange und die Stimmungslage änderte sich dramatisch. Das scharlachrote Wollkleid fiel und entblößte ihre Nacktheit. Dann wurde es beiderseitig handgreiflich. Es entstand ein Tohuwahbohu sondergleichen, dass darin gipfelte, dass Claudia schreiend und keifend aus dem Zimmer und dann aus der Wohnung lief, mit samt ihrem Wollkleid, Hut und Mantel.
Paul stand auf der Schwelle zu seiner Wohnungstür und blickte verstört wie in ein schwarzes, unbegreifliches tiefes Loch … .
Uta Franck
Bevor Uta Franck aus ihrem neuesten Werk „Ein fast normales Paar“ einen Ausschnitt vortrug, forderte sie die ganze Aufmerksamkeit des Publikums mit zwei Gedichten und einem Sonett, heraus. Mit dem Sonett „Augenblick (für Karl Krolow)“ und dem Gedicht „Aus der Tonart gefallen“ heimste sie schon anerkennenden Beifall ein. „An den Lahnungen klatscht das Wasser“: Nur Liebende / wandern allein übers Watt / vor heiseren Seevogelschreien / sie hören das leise Klingen im Schlick / An die Lahnungen klatscht das Wasser // Nur Liebende / riechen das Salz auf der Haut / und den Teer von gestrandeten Hölzern / sie sehen den Sand fahl meerwärts wehen / wenn abends der Wind von Land kommt // Nur Liebende / stemmen sich gegen den Sturm / weil die Einsamkeit wächst / Nebelhorn tönt
In „Ein fast normales Paar“ werden die Erfahrungen einer Frau erzählt, die sich in der Geschichte von Max und Maren widerspiegelt. Sie beginnt in den 60er Jahren, wo die Grundlage durch ein Studium für die Zukunft gelegt werden soll. Trotz des Studiums wurden auch schon Pläne für ihre Kinderwünsche gemacht. Diese Generation wollte auch noch ihre anderen Fähigkeiten nutzen und trotz Studiums und Kindererziehung selbständig ihr eigenes Geld verdienen. Welche Steine und Hürden ihr dabei in den Weg gelegt wurden und welches Potential entwickelt wurde diese zu überwinden, davon erzählt diese Geschichte.
Die 1953 geborene Sibylle Hallberg lebt in Schleswig-Holstein nahe Hamburg. Die ausgebildete Übersetzerin und Sprachlehrerin schreibt seit Jahren Lyrik und Prosa. Die Autorin von Gedichten, Erzählungen, Kurzgeschichten und Essays ist seit 2010 die 1. Vorsitzende des Fördervereins Landdrostei Pinneberg e.V. Die mit etlichen Preisen dekorierte Autorin ist heute Abend ein willkommener Gast in dieser Runde, die unter dem Zeichen der Liebe steht. “Auf dem Holzsteg“ ist die Geschichte von Ida. Am 14. Januar in Bingen am Rhein geboren, sitzt sie hier auf einem Holzsteg am seichten Wasser der Elbe und hängt ihren Gedanken nach. Gefühle der Enttäuschung keimen in ihr auf, die ihr geliebter Richard ihr angetan hat. Mit dem entdeckten Brief an einer Anderen, mit dem er seine Gefühle teilte, fing alles an. Ein Liebesgedicht bei dem in jeder Strophe der Anfang „Nur für dich“ lautet, gab den Ausschlag dafür, dass sie hier den trüben Gedanken nachhängt und bis zum Äussersten gehen würde. Der Knoten im Hirn trieb nun gespenstische Blüten mit ihr. Sie ließ ihr Leben Revue passieren. Viele Hürden hatte sie in ihrem Leben genommen. Und nun das! Es ist die Kraft der reinen, tiefen, inneren Liebe, die versucht einen Schutzwall um ihn zu errichten. Um ihren Richard wäre ihr alles Recht um ihn zu behalten. Alles! Sie soll nur kommen!
Sybille Hallberg
Es ist nicht alles Liebe. Aber was Liebe alles sein kann, zeigten heute Nachmittag die Autoren und die Autoren in ihren Geschichten und Gedanken auf. Sie kann lustvoll, individuell, nachdenklich, voller Humor oder einfach von unbezwingbarer Ehrlichkeit sein. Denn die Liebe ist nicht nur Zuneigung, Begehren, Vertrauen, sie kann Erfüllung ebenso sein wie Enttäuschung. Vor allem aber ist sie eins – Gefühl.
Leider wurde der Nachmittag ein wenig eingetrübt durch die Tatsache, daß sich der Streik der öffentlichen Verkehrsmittel an diesem Wochenende weiter fortgesetzt hatte, so dass etliche Interessenten abgesagt hatten. Besonders diejenigen aus der näheren Umgebung, die auf Busse und Bahnen angewiesen waren, mussten dieses Mal notgedrungen zu Hause bleiben.
Ansonsten war dieser Nachmittag, der bis in die späten Abendstunden führte, ein Genuss für diejenigen, die sich für Belletristik und dem dazugehörigen Ambiente zugeneigt zeigten.
Wer sich für weitere Veranstaltungen des 10. Mettenhofer Literaturfrühling interessiert, kann sich unter www.mettenhof.de informieren. Flyer liegen außerdem an allen öffentlichen bekannten Auslagen in Mettenhof bereit. Es ist für Jeden etwas dabei. Für kleine und große Leute, für Jung und jung Gebliebene, ist bis Sonntag den 24.03.2024 das Angebot frei Haus oder gegen eine Hutspende, eröffnet.
Wilfried Likuski (Text + Fotos)
wlikuski@web.de
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