Würdigung für Prof. Dr. Wolfgang Beutin

Wir trauern um unser Gründungsmitglied Professor Dr. Paul Wolfgang Beutin, geb. am 2. April 1934 und am 19. Februar 2023 von uns gegangen ist.

Wolfgang Beutin hatte den Förderverein für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V. 1997 mit ins Leben gerufen, wirkte als Gründungsmitglied mit einigen Gleichgesinnten und mit seiner Frau Heidi Beutin im Vorstand. Er begleitete die ersten Schritte im Aufbau des Förderverein für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V. für Schleswig-Holstein, um gerechte Chancen für Autorinnen und Autoren und, um talentierten Nachwuchs mit deren Veröffentlichungen zu fördern. Im hohen Alter fand Wolfgang Beutin in seiner Rede zum 25.-jährigen Jubiläum des »Förderverein für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V.« 2022 im Literaturhaus Schleswig-Holstein in Kiel noch anmahnende Worte, um politisch verantwortliche wie gerechte und gesellschaftliche Unterstützung für die Literatur und schreibende Zunft aufzurufen. Im Jahrbuch „Fundstücke“ von 2001 – 2011 veröffentlichte er Lyrik und einige seiner Essays. Die jetzt zweijährig erscheinende Anthologie Fundstücke soll 2023 ein letztes Mal einen wissenschaftlichen Bericht von Wolfgang Beutin zum Thema »Liebe« enthalten.

Im Literaturhaus Schleswig-Holstein in Kiel am 8. 10. 2022 zum 25.-jährigen Jubiläum

Wir werden uns dankbar an Wolfgang Beutin und sein Wirken erinnern und sprechen der Familie unser Mitgefühl aus.

Wolfgang Beutin (1934-2023) – Ein engagiertes Leben für Frieden und Aufklärung 

Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler PD Dr. Paul-Wolfgang Beutin ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren in Köthel (Kreis Stormarn) in der Nähe von Hamburg gestorben. Geboren in Bremen am 2. April 1934 war er tief geprägt von den Kriegserfahrungen, die er immer wieder in seinen autobiographisch gefärbten Romanen über die „Familie Beelzow“, etwa „Das Jahr in Güstrow“ (1985), verarbeitete. 

Beutin studierte an den Universitäten Hamburg und Saarbrücken Germanistik und Geschichtswissenschaft. In seiner Studienzeit war er neben seinem Professor Ulrich Pretzel, dem Bruder von Sebastian Haffner, vom expressionistischen Schriftsteller und Aktivisten Kurt Hiller beeinflusst. Gemeinsam zogen sie gegen alte Nazis, Reaktionäre und den Anti-Homosexuellen-Paragraphen 175 zu Felde. Mit dem Holocaust-Überlebenden Primo Levi pflegte er einen Briefverkehr, mit Theodor W. Adorno setzte er sich gegen antisemitische Tendenzen in Bezug auf den Komponisten Gustav Mahler zur Wehr. 

Beutins Wirken ist das eines engagierten Intellektuellen: Wissenschaftler, Schriftsteller, Unterstützer der sozial-liberalen Koalition von 1969 und der Studierendenbewegung der 1968er. Aktivist gegen die Praxis der Berufsverbote. Mitbegründer des „Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ (BdWi). Politiker der „Deutschen Friedensunion“, Mitinitiator des „Krefelder Appells“ gegen die atomare Konfrontation des Kalten Kriegs. Gewerkschafter bei der „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW) und im Schriftstellerverband von ver.di. Später Mitgründer der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ und der Linkspartei, bis zuletzt dort auf kommunaler Ebene im Kreis Stormarn aktiv. „Engagement als Lebensform“ nannte es der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Jost Hermand (1930-2021) anlässlich einer Tagung zu Wolfgang Beutins 75. Geburtstag. 

Die Hamburger Universität verweigerte ihm die Professur und erteilte ihm zeitweilig Lehrverbot. Begründung: Verwendung marxistischer und psychoanalytischer Methoden. Die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung darum wurde zwanzig Jahre lang von der GEW unterstützt. In Hamburg sowie in Bremen und in Lüneburg beeinflusste Beutin zahlreiche Studierendengenerationen. An der Universität seiner Geburtsstadt erlangte er in späteren Jahren die Habilitation und Privatdozentur. 

Wolfgang Beutin ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher und belletristischer Bücher, unzähliger Aufsätze, Kritiken, Aphorismen, Hör- und Fernsehspiele. Bis zuletzt arbeitete er an wissenschaftlichen Beiträgen, von denen einige noch posthum erscheinen. Seine Monographie über die Epoche der „Aufklärung“, an der er noch an seinem Todestag arbeitete, wird unvollendet bleiben. Mit seiner Frau Heidi Beutin und weiteren Mitstreitern plante er für den Herbst 2023 in Lübeck eine wissenschaftliche Tagung zu Geschichte und Gegenwart des Pazifismus. Diese wird nun zu seinen Ehren stattfinden.  Anlässlich seiner Verabschiedung aus dem aktiven Lehrbetrieb an der Universität Hamburg 1999 schrieb ihm sein Weggefährte, der Literaturkritiker Hans Wollschläger (1935-2007), in einer Würdigung: „Du hast, als Lehrer, das Lesen beigebracht, die richtige Lektüre der Worte und der Taten; die Welt selbst ist durch Deine Arbeiten lesbarer geworden.“ 

Wolfgang Beutin war auch aktiv in der Gewerkschaftsbewegung. Viele Jahre war er stellvertretender Landesvorsitzender des Verbandes Deutscher Schriftsteller in Schleswig-Holstein. Der VS-SH hat Friedens- und Entspannungspolitik nicht nur propagiert, sondern auch durch den Kieler Woche Kongress 1984 zum Thema Freundbilder – Feindbilder mit Leben erfüllt, mit der Tagung „Literatur in den 90iger Jahren“ im September 1988 Impuls gesetzt und beim Kieler Woche Kongress 1990 die Medienpolitik zum Thema gemacht. Diese Tradition hat Wolfgang fortgesetzt und die erste wissenschaftliche Tagung zu Wilhelm Liebknecht 2000 im Kieler Literaturhaus realisiert. Es folgte die Tagung zu 125 Jahre Sozialistengesetz 2003 im Kieler Gewerkschaftshaus. Die Tagungen sind durch Buchveröffentlichung im Peter Lang Verlag dokumentiert. Es folgten Tagungen in Berlin am Wannsee zu Heinrich Heine (2006), Wolfgang Borchert (2007), Ernst Barlach 2008), Frauen in Opposition, Revolution und Widerstand (2009).

Seit 1983 hat der VS hier im Lande in jedem Jahr eine Mahnveranstaltung zur Bücherverbrennung organisiert oder mit auf den Weg gebracht. Die Bücherverbrennung wirkte nach Jahrzehnten nach – einige Autoren waren laut Graf „aus dem Bewusstsein dieses Volkes für immer gelöscht“. Wolfgang hat hier regelmäßig dem entgegengewirkt. Im VS haben wir viel von ihm gelernt, seine Unaufgeregtheit, seine systematische Herangehensweise an Aufgaben, das wirkt bei uns nach.

Wolfgang Beutin hat den Förderverein für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V. 1997 mit ins Leben gerufen und wirkte als Gründungsmitglied mit einigen Gleichgesinnten und seiner Frau Heidi im Vorstand. Er begleitete die ersten Schritte im Aufbau des Literaturvereins für Schleswig-Holstein, um gerechte Chancen für Autorinnen und Autoren und talentiertem Nachwuchs mit deren Veröffentlichungen zu fördern. Im hohen Alter fand Wolfgang Beutin in seiner Rede zum 25.-jährigen Jubiläum des »Förderverein für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V.« 2022 anmahnende Worte, um politische sowie gerechte und gesellschaftliche Unterstützung für die Literatur und schreibende Zunft aufzurufen. In dem Jahrbuch „Fundstücke“ von 2001 – 2011 veröffentlichte er Lyrik und einige seiner Essays. Die jetzt zweijährig erscheinende Anthologie Fundstücke wird 2023 ein letztes Mal einen wissenschaftlichen Bericht von Wolfgang Beutin zum Thema »Liebe« enthalten.

Heidi Beutin, Lorenz Gösta Beutin, Olaf Beutin und Familie, 

Köthel, Kreis Stormarn, 23. Februar 2023. 

*Anmerkungen zur Arbeit im VS durch Holger Malterer (Foto auch); Eintrag bei wikipedia (dort auch Foto): https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Beutin, Anmerkung zu seiner ehrenamtlichen Vorstansarbeit des Fördervereins für zeitgenössische Literatur NordBuch e.V. Christel Mirus-Bröer